Frage: Auf wie viele Jahre Erfahrung mit börsennotierten Wertpapieren schauen Sie inzwischen zurück?
Klaus Heyng: Als ich Anfang der 80er-Jahre die ersten Aufgaben in der Vermögensberatung übernommen habe, gab es sehr hohe Zinsen – Bundesschatzbriefe und Anleihen mit acht, neun oder 10 Prozent Zinsen. Da waren Aktien für Kleinanleger noch nicht so interessant. Erst der Börsengang der Telekom 1996 hat einen richtigen Anleger-Boom ausgelöst. Mich haben Aktien schon früh fasziniert. Die Aktie besticht langfristig durch eine sehr attraktive Rendite. Durch die Beteiligung an einem Unternehmen ist man gefühlt ganz nah an der Wirtschaft dran. Man kann die Entwicklung in der Presse verfolgen und sich über Unternehmen informieren. In den 90er-Jahren haben wir dann auch den ersten Investmentclub für interessierte Anleger in der Volksbank Schermbeck gegründet.
Welchen Stellenwert haben Aktien heute?
Höchste Priorität! Wir sind eine der wenigen Volksbanken, die offensiv mit Anlagen in Aktien umgeht. Für uns ist das ein Muss, ein wichtiger Baustein bei jedem Kunden. Aber nicht in Einzelwerten, sondern breit gestreut in aktiv gemanagten Aktienfonds und auf Wunsch auch in ETFs. Gegenüber einem Direktinvestment ist das Risiko deutlich geringer. Die erwartete Rendite ist mit fünf bis sieben Prozent aber sehr attraktiv. Und vor allem ist es ein Instrument, um den Verlusten durch die Inflation etwas entgegenzusetzen. Wir empfehlen globale Fonds, damit die positiven Trends weltweit mitgenommen werden. Bei Kauf von Einzelwerten kann es im schlimmsten Fall zu einem Totalverlust kommen.
Ein Totalverlust wie der für Wirecard-Anleger?
Im Fall der Wirecard-Aktie gab es ja einen regelrecht verbrecherischen Hintergrund. Wenn Zahlen gefälscht werden, hat ein normaler Anleger keine Chance, das zu erkennen. Die Bafin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) hat da inzwischen nachgebessert und strengere Prüfregeln aufgestellt. Aber schon bei integren Unternehmen ist es kaum möglich, täglich auf dem Laufenden zu bleiben. Bei uns können Kundinnen und Kunden trotzdem Einzelwerte über die VR-Banking-App oder den Brokerage-Bereich im Online-Banking erwerben und wieder abstoßen. Sehr komfortabel und günstig. Und die DZ Bank bietet für viele Titel aktuelle Bewertungen. Unsere Beratung im Rahmen der langfristigen Finanzplanung konzentriert sich da eher auf Aktienfonds.
Was ist der Vorteil von Fonds?
Bei Fonds setzen wir auf das Know-how der Fondsmanager mit ihrem Team. Diese Spezialisten klopfen täglich alle wichtigen Unternehmen ab. Sie sind erfahren, besuchen die Unternehmen, lassen sich Zahlen vorlegen und überwachen jede Entwicklung. Soll eine Aktie aufgenommen werden? Soll sie im Fonds verbleiben? Sollte man sie lieber ersetzen? Das kann ein Bankberater allein nicht leisten. Ich investiere privat in Aktien, um am Ball zu bleiben. Aber mit meinem Portfolio habe ich die Performance eines guten Fonds noch nicht schlagen können.
Was für eine Performance ist bei Aktienfonds zu erwarten?
Wenn man die vergangenen 100 Jahre betrachtet, ist empirisch bewiesen, dass sich durchschnittlich eine relativ sichere Rendite zwischen fünf und sieben Prozent erwirtschaften lässt. Das ist die Renditeerwartung, wenn man für zehn Jahre plus X anlegt. Wobei Aktienfonds bei Bedarf täglich verfügbar sind. Eine gute Rendite erzielt man, wenn man in einen exzellenten Fonds investiert, wie wir sie empfehlen. Ich erkläre das gerne so: Es gibt einen großen Topf, in den viele Anleger investieren. Da kommt dann schnell eine Milliarde Euro zusammen. Die wird in die besten 50 bis 100 Firmen der Welt gesteckt. Dabei ist die Streuung entscheidend. Normalerweise branchenübergreifend und weltweit. Wer auf eine höhere Rendite aus ist und dabei risikofreudiger, kann auch in einen Branchenfonds investieren, zum Beispiel Technologie, KI, Cloud, das sind im Moment die Trendthemen. Dabei muss man allerdings mit größeren Schwankungen gut leben können.
Man muss also Zeit haben, um mit Aktienfonds gut zu fahren?
Der deutsche Aktienindex Dax ist 1988 bei 1.000 Punkten gestartet und heute ist er (Stand Mitte August 2023) knapp unter 16.000. Er hat sich also trotz aller Krisen versechzehnfacht. Das entspricht einer jährlichen Rendite von 7,5 Prozent. Natürlich kann man auch mit Einzelpapieren an solchen Erfolgen beteiligt sein. Hätte man zum Beispiel vor gut 15 Jahren 1.000 Euro in Apple-Aktien investiert, wären das heute 40.000 Euro. Der Kurs hat sich also vervierzigfacht. Allerdings kann es bei einem einzelnen Engagement natürlich auch ganz anders kommen.
Es melden sich in Krisenphasen doch bestimmt auch besorgte Kundinnen und Kunden.
Wir raten dazu, die Kurse und Entwicklungen von Fonds, an denen man beteiligt ist, nicht täglich anzuschauen. Selbst wenn es eine nationale oder internationale Krise gibt, gehen wir mit besorgten Anrufern oder Anruferinnen an den Anfang zurück: Warum haben wir in diesen Fonds investiert? Was war unser Ziel? Ist das in Gefahr? Häufig ist es das nicht, da wir mit Aktienfonds langfristig planen. Wenn wir einen Sparplan aufgesetzt haben, ergibt sich aus einem allgemeinen Kurstief sogar die Situation, dass die nächsten Einzahlungen an einem niedrigeren Punkt getätigt werden, so dass die Zuwächse größer sind. In der Krise steckt also auch immer eine Chance.
Das hört sich so an, als wäre man auch nie allein mit der Entscheidung für einen Fonds.
Wie bei allen Vermögensfragen sind wir immer ansprechbar für unsere Kundinnen und Kunden. Und da wir das Portfolio so zusammenstellen, dass nur ein Teil des Vermögens in Aktien steckt und es immer eine Liquiditätsreserve gibt, machen sich unsere Anlegerinnen und Anleger meistens keine Sorgen. In der Vergangenheit ging es nach jeder Krise immer wieder rauf und dann immer auf neue Rekordhöhen. Erst ist Weltuntergangsstimmung. Und dann erholt sich der Markt wieder. Da darf man nicht nervös werden. Und Börsenpapst André Kostolany hat ganz richtig gesagt: Wer die Aktien nicht hat, wenn sie fallen, hat sie auch nicht, wenn sie steigen. Aber wenn die Aktien wirklich beängstigend fallen, lassen wir unsere Kunden nicht allein.
Was bedeutet das?
Wenn es wirklich mal Handlungsbedarf gäbe, melden wir uns aktiv bei unseren Kundinnen und Kunden. Ansonsten dürfen sie das Engagement in Aktienfonds nach dem Jahresgespräch erst einmal wieder vergessen. Und die Fondsmanager und uns die Arbeit machen lassen.